Selbstorganisierte Lernprojekte

Im Zentrum der MEDEA-Qualifizierung stehen Veränderungsprojekte als Lernprojekte, die die Lernenden selbst entwickeln und umsetzen. Im Rahmen eines vorher festgelegten betrieblichen Handlungsfelds identifizieren die Beschäftigten aus ihren Erfahrungen Ansätze, wie ihre eigene Arbeit unter Einsatz von digitalen Lösungen weiter entwickelt werden kann. 

Diesen Ansätzen gehen sie in gemeinsamen oder individuellen Lernprojekten nach, sprechen sich dazu mit den relevanten Betroffenen und Führungskräften ab, probieren konkrete Veränderungsideen aus, optimieren oder verwerfen Lösungsansätze und übernehmen, überall dort wo erfolgreiche Weiterentwicklungen stattgefunden haben, federführend auch den Einbezug der anderen Kolleginnen und Kollegen. 

Die Ausrichtung und die verwendeten digitalen Techniken sind dabei sehr vom Arbeitskontext der Lernenden und dem Stand der Digitalisierung im Unternehmen abhängig. Entscheidend ist, dass die Lernprojekte hinreichend komplex sind und eine tatsächliche Weiterentwicklung der Arbeitsprozesse im betroffenen Bereich darstellen.

Es geht also nicht um „Sandbox“-Entwicklungen jenseits bestehender Arbeitsprozesse unter Rückgriff auf digitale Prototyptechnologien, sondern um die konkrete Weiterentwicklung der eigenen Arbeitsprozesse und die Frage, welchen Mehrwert digitale Technologien hier tatsächlich bringen können.  

Beispiel: Aufbau einer Plattform für das digitale Wissensmanagement

In der Versicherungssachbearbeitung entschied sich eine Lerngruppe ein unternehmensinternes Social-Media-Netzwerk für die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zwischen der Sachbearbeitungs- und der  Fachebenen zu gestalten und zu etablieren.

Viele Vorgänge, die auf den Bildschirmen der Sachbearbeiter:innen erscheinen, beinhalten Unklarheiten, Interpretationsspielräume oder beziehen sich auf Sonderfälle, die bisher nicht umfassend geregelt wurden.

Um im Unternehmen die Bearbeitung zu beschleunigen, wurden um bestimmte Themenbereiche (z. B. Zahnbehandlungen) sog. Kompetenzzentren aufgebaut, die verschiedene Abteilungen standortübergreifend zusammenziehen und vernetzen.

Das gemeinsame Lernprojekt der Lerngruppe, bestehend aus acht Vertreter:innen dieser Abteilungen war es, auf Grundlage einer im Unternehmen vorhandenen aber in dem betroffenen Bereich wenig genutzten Softwarelösung eine digitale Plattform zum Wissensaustausch aufzubauen, die gegenüber bisherigen Formen der Zusammenarbeit (Telefon, Email) einen Mehrwert bringt.

Für die Identifikation von Lernprojekten sind drei verschiedene Perspektiven hilfreich:

Ausgangspunkt sind die derzeit vorhandenen Arbeitsprozesse und deren Verbesserung. Sie stellen den Hintergrund dar, vor dem digitale Technologien einen echten Mehrwert darstellen müssen, damit die Lernprojekte erfolgreich sein können. Es lohnt sich also, sich diese Arbeitsprozesse genau anzuschauen und etwa nach Schnittstellen oder Arbeitsabläufe zu suchen die durch den Einsatz digitaler Technologien verbessert werden können. Dabei geht es um die tatsächlichen Arbeitsabläufe und Prozesse, die u.U. jenseits von Verfahrensanweisungen und Organigrammen liegen können. 

Gleichzeitig geht es um die aktive Suche nach Potentialen, die in digitalen Lösungen liegen und die vielleicht neue Ansätze jenseits der derzeitigen Arbeitsroutinen liefern. Damit digitale Technologien Arbeitsprozesse tatsächlich verbessern, dürfen sie nicht nur einfach die bisherigen Arbeitsprozesse abbilden: aus einem Papierdokument ein PDF zu machen, bringt oft noch nicht einen wirklichen Mehrwert. Bestehende Besprechungsformate 1:1 als Videokonferenzen weiterzuführen verbessert noch nicht die Effektivität der Kommunikation. Vielmehr geht es darum, die Möglichkeiten, die digitale Lösungen bringen, wie etwa Vernetzung, Beteiligung, Schnelligkeit von Prozessen etc. gezielt darauf hin abzuklopfen, wie das, worum es in den Arbeitsprozessen eigentlich geht, effektiver oder effizienter erreicht werden kann.  

Lernen lässt sich nicht verordnen oder von außen aufzwingen – niemand kann gelernt werden. Damit die Lernenden ihren Projekten mit Lust und Freude nachgehen können, sollten sie damit auch ganz persönliche Lern- und Entwicklungswünsche verbinden können. Bei der Auswahl der Lernprojekte ist es also auch wichtig, die Lernwünsche der Teilnehmenden aktiv aufzugreifen. Was würde ich gerne ausprobieren? Welche Fähigkeiten und Kompetenzen würde ich gerne weiter entwickeln? Worauf habe ich Lust?

 

Für die erste und die letzte Perspektive sind die Lernenden in der Regel die besten Expert:innen. Für den zweiten Aspekt können sie gezielt auf Digitalisierungs-Agent:innen im Unternehmen zugehen und sich mit diesen austauschen.